Das blaue Leuchten by Andreas Laudan

Das blaue Leuchten by Andreas Laudan

Autor:Andreas Laudan [Laudan, Andreas]
Die sprache: deu
Format: azw3, epub, mobi
Tags: Thriller
ISBN: 9783644505414
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2014-02-20T23:00:00+00:00


«Ruhig einatmen!», sagte eine Stimme.

Erneut tauchte Kim aus dem schwarzen Wasser auf, durchbrach die Oberfläche, öffnete die Augen. Ein verspäteter Schreck sagte ihr, dass sie beinahe erstickt war, und ließ sie keuchend einatmen.

«Ruhig!», wiederholte die Stimme. «Gleich wird’s dir bessergehen. Du brauchst dich nicht anzustrengen.»

Es stimmte: Plötzlich hatte Kim keine Mühe mehr, ihre Lungen zu dehnen. Frische, köstliche Luft strömte über ihren Gaumen, vertrieb die Taubheit ihrer Glieder und blies die Nebel auseinander, die ihren Kopf erfüllt hatten. Erst nach einiger Zeit begriff sie, dass tatsächlich etwas ihre Lippen berührte. Doch es war kein Kuss, wie in ihrem Traum, sondern eine flexible Maske aus durchsichtigem Kunststoff.

Leon war bei ihr. Er kniete an ihrer Seite, hielt mit einer Hand ihren Hinterkopf und drückte ihr mit der anderen die Maske aufs Gesicht.

«Besser?»

Kim nickte schwach. Allmählich erkannte sie wieder, wo sie war. Noch immer kauerte sie auf der Isomatte in jenem kalten, düsteren Raum, wo der verschüttete Gang mündete. Ihre eigene Lampe und auch die von Philipp waren inzwischen erloschen. Nur Leons LED-Strahler warf noch immer sein grelles Schlaglicht über die Wände.

Kim hob eine Hand und stellte fest, dass ihre Finger noch immer verkrampft waren. Der Handrücken kribbelte heftig.

«Meine Hände …» Ihre Stimme blieb unter der Maske fast unhörbar. Leon schien sie dennoch verstanden zu haben, denn er nickte.

«Hyperventilation. Wir atmen alle zu schnell; das kann zu Krämpfen in Händen und Füßen führen. Keine Angst, es ist harmlos – und bald vorbei.»

Beruhigt schloss Kim die Augen. Eine Zeitlang gab sie sich einfach dem herrlichen Gefühl hin, wieder frische Luft zu atmen. Ihre Muskeln entspannten sich, und das bleierne Gefühl der Betäubung machte einer angenehmen Erschöpfung Platz. Alles fühlte sich gut an: die Luft in ihren Lungen, Leons warme Hand in ihrem Nacken, seine ruhige, tröstende Stimme. Kim blickte zu ihm auf.

Was für ein schöner Mann, dachte sie plötzlich, auch wenn diese Feststellung nicht im mindesten zur Situation passte.

«Ich muss mich jetzt um deinen Freund kümmern. Hältst du es eine Minute ohne die Maske aus?»

Kim nickte ergeben. Zu ihrer Erleichterung stellte sich keine Atemnot mehr ein, als er die Maske von ihrem Gesicht nahm. Offenbar hatte ihr Körper sich einigermaßen erholt. Sie spürte lediglich, dass sie wieder ihre Muskeln anstrengen musste, um die Lungen zu dehnen.

Leon nahm selbst zwei Atemzüge aus dem Sauerstoffgerät, dann kniete er sich neben Philipp und drückte ihm die Maske aufs Gesicht.

Philipp … Kim hatte irgendwann kaum noch wahrgenommen, dass sie sich an seine Seite lehnte. Schuldbewusst wandte sie sich zu ihm um. Seine Augen waren offen. Er hatte Schweiß auf der Stirn, und seine Wangen schimmerten bläulich, doch er wirkte hellwach. Während er gierig die Luft aus der Maske einsaugte, fanden sich ihre Blicke.

Das fiebrige, beinahe fanatische Glühen in Philipps Augen war keineswegs erloschen, allenfalls geschwächt. Kim begriff, dass der Luftmangel ihm zwar genauso zu schaffen machte wie ihr, aber nicht im mindesten seinen Willen gebrochen hatte. Er beobachtete sie genau, fast kritisch, als versuchte er einzuschätzen, ob er sich noch auf sie verlassen konnte. Dieser kühle, taxierende Blick war unangenehm, und Kim senkte betreten die Augen.



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